Internetportal „Rheinische Geschichte“ – eine Rezension

Wie ich in diesem Beitrag bereits angedeutet habe, möchte ich das neue Internetportal “Rheinische Geschichte” etwas ausführlicher vorstellen.

Der Landschaftsverband Rheinland ist mit der Einrichtung dieses Portals einen Weg gegangen, der für andere Regionen und Geschichtslandschaften bereits viele Jahre Standard ist. So wurde das Internet-Portal “Westfälische Geschichte” bereits am 10. November 2004 freigeschaltet und befindet sich seit 2009 in der dritten Entwicklungsstufe (zur Entstehungsgeschichte siehe hier). Für die bayerische Landesgeschichte gibt es gleich mehrere Geschichtsportale. Für Hessen wäre beispielsweise das Landesgeschichtliche Informationssystem Hessen (LAGIS) zu erwähnen. Wer sich auf die Suche nach derartigen oder speziellen historischen Internetportalen begeben will, dem sei das Portalverzeichnis von Clio-Online empfohlen. Immerhin ist nach vier Jahren Vorbereitungszeit nun auch die Rheinische Landesgeschichte – endlich, wie auf der Homepage des Aachener Geschichtsvereins vermerkt ist, – in einem eigenen Portal im “Zwischennetz” vertreten.

Nun zum Portal “Rheinische Geschichte”:

Verantwortlich für das Projekt ist der Landschaftsverband Rheinland, insbesondere das LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte. Auf dem Kolloquium stellte die Leiterin des Projekts, Prof. Margret Wensky, den Aufbau vor.

Als Zielgruppe des Portals werden “alle historisch Interessierten” genannt: Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Lehrerinnen und Lehrer, Studierende, Schülerinnen und Schüler ebenso wie Heimatforscher.

Das Portal gliedert sich in sechs Hauptrubriken (die Darstellung auf der Homepage des Instituts für Landeskunde und Regionalgeschichte nennt eine Aufteilung in sieben Rubriken, die offensichtlich aber veraltet ist):

  • Epochen und Ereignisse
  • Persönlichkeiten
  • Orte und Räume
  • Themen
  • Quellen und Links
  • Literaturschau

Zum derzeitigen Stand haben 260 Autoren beigetragen, die ca. 500 Artikel verfasst haben. Bis zum Jahresende sollen weitere 150 Artikel eingestellt werden. Rund 600 Bilder und 40 Karten finden sich im Moment auf dem Portal, hinzu kommen 500 Glossarbegriffe, die gesondert erläutert werden.

Regional umfasst das Portal den “gesamten rheinischen Raum, auch wenn er heute auf drei Bundesländer (Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland) aufgeteilt ist.” – eben das Gebiet der alten preußischen Rheinprovinz.

Hier werden wie zu erwarten die Geschichtsepochen in chronologischer Reihenfolge in 13 Überblicksdarstellungen behandelt. Einige Darstellungen fehlen noch und werden hoffentlich bis zum Jahresende nachgereicht (so z. B. die Vorgeschichte bis 500 oder der Zeitraum 1871–1918).

Ebenfalls in chronologischer Reihenfolge werden bedeutende Ereignisse der rheinischen Geschichte behandelt. “Neben ereignisgeschichtlichen Einträgen und den Regierungsdaten der rheinischen Territorialherren finden Sie auch Entstehungsdaten zu herausragenden Bau- und Kunstwerken wie allgemein zu kulturhistorischen Ereignissen, aber auch zur Einführung innovativer Techniken, zu den Besuchen von Königen, Kaisern, Präsidenten und anderen Staatsoberhäuptern im Rheinland vom Mittelalter bis zur Gegenwart.”

Diese Rubrik wird auch unter dem griffigen Titel “Rheinische Köpfe” geführt. “Diese Portalkomponente umfasst Kurzporträts von mindestens 500 – die Zahl ist nach oben hin offen – bedeutenden Persönlichkeiten der rheinischen Geschichte bzw. Kulturgeschichte.” Voraussetzung ist, dass die betreffende Person entweder im Rheinland geboren ist oder eine zu ihrer Lebenszeit oder auch darüber hinaus bleibende Wirkung gehabt hat. Mittels Kontaktformular können hier Vorschläge und Anregungen an die Redaktion gesendet werden.

Diese Rubrik ist in drei Zeitstufen eingeteilt (Gebiete vor 1789, Gebiete in französischer Zeit [1794-1815] und Gebiete nach 1815) sowie in Kirchliche Gebiete.

In diesem Bereich finden sich übergreifende Artikel über naturräumliche, politische und kulturelle Aspekte des Rheinlands. Darüber hinaus sollen Themencluster entstehen, die eine vertiefende Auseinandersetzung mit ganzen Themenbereichen ermöglichen werden. Die Beiträge sind chronologisch in sechs Untergruppen unterteilt, hinzu kommt eine Gruppe “Epochenübergreifend”.

Der Anspruch ist hier besonders hoch, soll dieser Bereich doch “die offene Sparte des Portals – das zentrale Forum für Forschung, Diskussion und Detailinformation” sein. Allerdings sind bislang gerade hier noch sehr wenige Beiträge online gestellt (Stand 5.10.2010: sieben Artikel), so dass sich der hohe Anspruch in Zukunft erst noch beweisen muss.

Hier sollen Linklisten zu wichtigen Ereignissen und Epochen der rheinischen und allgemeinen Geschichte eingestellt und sowohl chronologisch als auch thematisch aufbereitet werden. Ebenfalls werden hier digitalisierte Quelleneditionen und Bestände der rheinischen Archive und Bibliotheken verlinkt.

Die Literaturschau bietet eine regelmäßig aktualisierte Bibliographie der neuesten Literatur zur rheinischen Geschichte. Kurze Anzeigen und Besprechungen informieren über neue Publikationen. Aufgenommen werden Titel ab Erscheinungsjahr 2008.

Weitere Rubriken

Zusätzlich zu diensen Hauptrubriken gibt es die Möglichkeit der “Interaktion“. Tatsächlich verbirgt sich bislang hinter dieser anspruchsvoll klingenden Rubrik im Wesentlichen ein Kontaktformular, mit dem man Mitteilungen an die Redaktion senden kann. Vorbereitet, aber noch nicht nutzbar, sind Untergruppen wie “Forum” oder “Fragen und Antworten”. Wichtig ist die Rubrik “Suche“, in der es möglich ist, einen Suchbegriff auf die genannten Rubriken und Zeiträume einzugrenzen oder nach bestimmten Medien zu suchen (Texte, Bilder, Karten, Audio/Video etc.). In der Praxis funktioniert die Suche aber nicht sonderlich gut. So habe ich auf die Abfrage “Oberhausen” und “Bilder” ein Foto ausgewiesen bekommen ohne Verlinkung zu einem passenden Artikel. Bei dem Versuch, das Bild vergrößert darzustellen, kam eine Fehlermeldung. Eine einfache Volltextsuche ist darüber hinaus von jeder Seite des Portals aus möglich.

In der Rubrik “Redaktion” finden sich zunächst einmal deren Mitarbeiter, auf Unterseiten dann ein Autorenverzeichnis, ein Glossar, das sich noch im Aufbau befindet, ein ausführliches Inhaltsverzeichnis und schließlich das unvermeidliche Impressum.

Abschließend folgt die Rubrik “Neuigkeiten“. Das hier eingerichtete Kalenderblatt steht heute (5.10.) allerdings noch auf dem 1.10., allerdings mit einer Fülle von Daten. Unter “Neu im Portal” werden die jeweils neuesten Artikel vorgestellt. Was unter dem Titel “Veranstaltungen” zu erwarten ist, ist nicht schwer zu erraten. Derzeit wird auf die Ausstellung „Renaissance am Rhein” im LVR-LandesMuseum Bonn hingewiesen.

Soweit eine kurze Darstellung des Portals, das man sich am besten in Ruhe selbst anschaut.

Bewertung:

Auch wenn das Portal im Moment noch einige Lücken und technische Fehler aufweist, so ist schon jetzt eine Fülle an Informationen über die Rheinische Geschichte vorhanden und gut abrufbar. Wenn die angekündigten 150 weiteren Beiträge bis zum Jahresende eingestellt sein werden und zukünftig vor allem die Themencluster weiter ausgebaut werden, wird sich hier eine historische Wissensdatenbank von großem praktischen Nutzen auftun.

Die streng chronologische Gliederung, die sich durch die meisten Rubriken zieht, bedarf sicherlich der Ergänzung durch die angedachten Themencluster. Diese Einteilung wirkt auch nicht immer konsequent durchdacht. So wird in der Rubrik “Themen” unter dem Punkt “Das Rheinland im Spätmittelalter” in einem Beitrag der Besuch Eduards III. in Koblenz thematisiert: “1338: Der englische König in Koblenz – Eduard III. und das Reich zu Beginn des Hundertjährigen Krieges”(Elsbeth Andre). In der Rubrik “Ereignisse – 1288 bis 1521” wird dieses Ereignis ebenfalls erwähnt, ohne dass der ausführliche Artikel verlinkt wurde.

Der einzige bisher in der Rubrik “Epochenübergreifend” eingestellte Beitrag stammt von Elmar Neuß (Münster) und Toni Offermann (Wallenthal) und beschäftigt sich mit der “Tuchmachertradition in Monschau – Ein geschichtlicher Überblick“. Solange in dieser Rubrik nur wenige Beiträge vorhanden sind, mag eine solch grobe Einteilung genügen. Sinnvoller scheint mir aber auf Dauer gesehen, hier zur weiteren Untergliederung Sachgruppen einzurichten wie Sozialgeschichte, Wirtschaftsgeschichte, Mentalitätsgeschichte, Alltagsgeschichte, Geschlechtergeschichte usw. Überhaupt wirkt das Portal derzeit noch sehr linear-ereignisgeschichtlich orientiert. Die technischen Möglichkeiten des Internet werden aber erst dann richtig genutzt, wenn der starre Aufbau, als wäre eine gedruckte mehrbändige Enzyklopädie ins Internet gestellt worden, aufgebrochen wird. Das Portal befindet sich aber noch in den Anfängen und hat das Potential, genau dies zu leisten.

Zugegeben, ich bin nicht unparteiisch, habe ich doch selbst zwei Beiträge verfasst (“Walter Bader” und ein Themenbeitrag, der noch nicht eingestellt ist). Von daher verwundert es nicht unbedingt, dass ich die Kritik, die Klaus Graf in seinem Blog “Archivalia” vorgebracht hat, nicht so ganz teilen kann. Er bemängelt das Konzept der statischen Artikel und stellt dem das Wikipedia-Prinzip gegenüber: “Die Wikipedia hat da uneinholbar die Nase vorn. Sofort können neue Erkenntnisse (mit Einzelnachweisen!) eingearbeitet werden und die Bilder sind nachnutzbar” und kommt zu dem apodiktischen Urteil: “Das alles ist – vor dem Hintergrund, was 2010 state of the art ist – so unsäglich schlecht, dass man sprachlos ist.” Ich würde dagegenhalten, dass es ein Wikipedia bereits gibt, welches alle die von Graf so geschätzten Vorzüge, die teilweise ja ihre Berechtigung haben, anbietet. Eine “rheinisches Wiki” würde m. E. hier keinen wirklichen Mehrwert bieten. Sollte es wissenschaftlichen Ansprüchen auch im Blick auf Zitierfähigkeit genügen, müsste eine Redaktion jedenfalls ein sehr kritisches Auge auf die Beiträge haben. Der große Vorteil dieses Konzepts (wie z. B. auch beim “Nachbarportal” für Westfalen ist die namentliche Kennzeichnung der Artikel durch den Autor. Hier steht, anders als im Wiki, eine Person mit ihrem Namen hinter dem Text und stellt sich damit auch der kontroversen Diskussion. Dies geht aber nur, wenn der Text dann auch dauerhaft unverändert so erscheint, wie ihn der Autor verfasst hat. Auch im Blick auf das Zitieren ist die namentliche Autorenschaft und die Dauerhaftigkeit des Textes unbedingt notwendig. Und das ist hier gegeben.

Denkbar und durchaus wünschenswert wäre allerdings die Möglichkeit, den einzelnen Artikeln einen Kommentarfunktion zuzuweisen, die es dem Leser ermöglicht, Kritik, Ergänzungen und natürlich auch Lob und Zustimmung einzubringen. Allerdings müsste, schon um Spam zu vermeiden, eine persönliche Kennzeichnung des Verfassers erfolgen (wer zu einem namentlich gekennzeichneten Artikel Stellung nimmt, sollte dies auch mit seinem Namen tun) und eine kritische redaktionelle Betreuung stattfinden. Vielleicht kann die Redaktion ja über eine solche Erweiterung des Portals einmal nachdenken. Ggf. kann auch die Forum-Rubrik hier weiterhelfen, wenn sie denn einmal eingerichtet ist.

Da ich bislang keine weiteren Besprechungen dieses Portals im Internet gefunden habe, die über eine Vorstellung gemäß der LVR-Pressemitteilung hinausgehen (z. B. Archäologie online, kle-point), möchte ich noch auf einen Punkt zu sprechen kommen, der im Kommentarbereich des angesprochenen archivalia-Beitrags genannt wird. Kritisiert wird dort der biographische Beitrag zu Udo Klausa, dem ersten Landesdirektor des Landschaftsverbandes Rheinland. Zunächst wird bemängelt, dass eine Reihe wichtiger Persönlichkeiten im Portal – im Gegensatz zu Klausa – nicht auftauchen (z. B. Heinrich Böll). Hier würde ich allerdings den Portalmachern zugute halten, dass sich das Projekt noch in der Entwicklung befindet und diverse weitere Artikel erst in den kommenden Monaten freigeschaltet werden (ich hoffe doch sehr, dass Heinrich Böll dann auch seinen Platz im Portal gefunden haben wird). Das Portal wie Graf als einmal abgeschlossenes Nachschlagewerk zu begreifen, würde ihm nicht gerecht werden. Außerdem gibt es die Möglichkeit gerade in dieser Rubrik, die Redaktion auf Desiderate aufmerksam zu machen (siehe oben). Ebenso wäre es wünschenswert, wenn die in dem Blog-Beitrag und dem Kommentar vorgeschlagene Ergänzung durch die Personennamendatei (PND) erfolgen würde. Vielleicht wird dies in der Zukunft ja nachgereicht.

Gewichtiger ist der Vorwurf, der Artikel beschönige die NS-Vergangenheit Klausas, was der Kritiker auch mit Beispielen zu belegen versucht. In der Sache kann ich mich dazu nicht äußern, aber ich denke, dies ist ein gutes Beispiel und Argument für die Einführung einer Kommentarfunktion, die so eine ernsthafte Diskussion mit dem Verfasser des Beitrags ermöglichen würde. Bei Bedarf könnte dieser dann auch seinen Artikel ergänzen oder überarbeiten, wenn die Kritik berechtigt sein sollte. Andernfalls kann er die Kritik aber auch mit Gegenargumenten entkräften.

An diesem Beispiel wird deutlich, dass ein derartiges Portal eine Schnittstelle zwischen klassischer, statischer Enzyklopädie und moderner, interaktiver Internetpräsentation sein und zum wissenschaftlichen Diskurs beitragen kann.

Insgesamt macht das Portal einen gut durchdachten und ansprechend umgesetzten Eindruck. Sein ganzes Potential muss sich aber erst noch entwickeln. Sowohl inhaltlich (fehlende Beiträge), strukturell (fehlende strukturgeschichtliche Untergliederung) als auch technisch (Forum, Kommentarmöglichkeit, konsequentere Verlinkung) bleibt noch einiges zu tun. Umso mehr ist anzuerkennen, dass die Redaktion jetzt das Portal online gestellt und sich der Diskussion gestellt und nicht gewartet hat, bis ein perfektes Produkt entstanden ist. Dann würde man noch etliche weitere Jahre vergeblich auf ein rheinisches Geschichtsportal warten müssen.

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